Lithoredo abatanica, die Molluske, die den Flusslauf verändern kann

Die Lithoredo abatanica ist eine merkwürdige Süßwasser-Molluske mit einer ganz besonderen Ernährung. Sie frisst Kalkstein und scheidet Sand aus.
Lithoredo abatanica, die Molluske, die den Flusslauf verändern kann
Luz Eduviges Thomas-Romero

Geschrieben und geprüft von der Biochemikerin Luz Eduviges Thomas-Romero.

Letzte Aktualisierung: 21. März 2023

Die Lithoredo abatanica ist eine merkwürdige Süßwasser-Molluske mit einer ganz besonderen Ernährung. Dieses Tier ist weltweit einzigartig, denn es frisst Kalkstein und scheidet Sand aus. Doch wie funktioniert sein Verdauungsmechanismus? Wie kann es Nährstoffe aus dem Stein gewinnen?

Lithoredo abatanica gehört zur Gruppe der Schiffsbohrwürmer. Bisher wurden die als “Schiffsbohrwürmer” bekannten Arten als Holzfresser beschrieben.

Interessanterweise verbringen diese Würmer ihren gesamten Lebenszyklus oder zumindest den größten Teil davon in Tunneln, die sie in das Holz bohren. So haben Experten festgestellt, dass die meisten Arten Holz als Hauptnahrungsquelle nutzen.

Schiffsbohrwürmer werden seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. in der Literatur beschrieben und gelten als “Albtraum” der Seeleute. Auch heute noch können sie erhebliche Schäden an Schiffen und Docks verursachen, da sie sich von Holz ernähren und dieses während des Fressens durchlöchern.

Lithoredo abatanica frisst kein Holz, sondern Kalkstein

Obwohl auch Lithoredo abatanica zur Gruppe der Schiffsbohrwürmer gehört, lebt sie im Gegensatz zu ihren Verwandten im Süßwasser. Über ihr Vorkommen im Flussbett des Abatan auf den Philippinen wurde erst kürzlich berichtet.

Darüber hinaus unterscheidet sich diese Molluske auch dadurch von anderen Arten, weil sie sich nicht von Holz, sondern von Kalkstein ernährt. Nachdem das Tier den Stein gefressen hat, sammelt dieser sich in den Eingeweiden an, wird pulverisiert und anschließend als feinkörniger Sand wieder ausgeschieden.

Lithoredo abatanica
Quelle: FayerWayer

Die Eigenschaften dieses “Steinwurms” sind so außergewöhnlich, dass die Forscher ihn nicht nur als neue Art, sondern auch als neue Gattung innerhalb der Familie der Teredinidae kategorisiert haben.

Die Strategie der Lithoredo abatanica, sich zur Nahrungsaufnahme durch Fels zu graben, ist ein absolut erstaunlicher Mechanismus, der im Tierreich bisher einzigartig ist.

Schiffsbohrwürmer, ein irreführender Name

Trotz ihres Namens sind Schiffsbohrwürmer nicht wirklich Würmer. Es handelt sich vielmehr um Mollusken, eine Muschelart aus der Familie der Teredinidae. Zu dieser Gruppe gehören mehrere Muschelarten. Diese Kreaturen haben eine sehr kleine Schale an einem Ende ihres langen, “wurmförmigen” Körpers.

Allerdings bietet diese Schale der Molluske keinen Schutz. Stattdessen hat sich dieses winzige Schalenpaar zu einem Werkzeug entwickelt, mit dem das Tier das Substrat abkratzt, welches es verzehrt.

Am Grabwerkzeug dieses Tieres befinden sich Dutzende kleiner Zähne, die sich perfekt für das Schneiden von Kalkstein eignen. Auf diese Weise beginnt der Prozess der Zerkleinerung der Steinbrocken, die diese Würmer fressen.

Lithoredo abatanica frisst Kalkstein
Quelle: La Vanguardia

Die Familie isst in guter Gesellschaft

  1. Lithoredo abatanica ist mit einem anderen Terediniden verwandt, dem Kuphus polythalamia. Es ist ein 155 Zentimeter großes Lebewesen, das im Schlamm lebt. Dieses Tier fand man auf den Philippinen in drei Metern Tiefe im Meer.
  2. Kuphus polythalamia bewohnt einen ziemlich stinkenden Ort. Der Schlamm, der reich an organischer Substanz ist, sondert erhebliche Mengen an Schwefelwasserstoff ab, ein aus Schwefel gewonnenes Gas.

Die Ernährungsstrategie von Kuphus polythalamia besteht darin, sich von den Ausscheidungen nützlicher Bakterien (Endosymbionten), die in seinen Kiemen leben, zu ernähren. Diese Bakterien oxidieren Schwefel und produzieren Komponenten, die den Wurm ernähren.

Warum fressen diese Süßwasser-Mollusken Gestein?

Die Forscher glauben nicht, dass die Mollusken das Gestein verzehren, um Nährstoffe aus ihm zu gewinnen. Stattdessen vermuten Experten, dass diese Mollusken ihre Nahrung aus einer symbiotischen Beziehung mit Bakterien erhalten könnten.

Es ist möglich, dass einzigartige Bakterien, die in ihren Kiemen oder in den Siphons leben, durch die der Sand ausgesondert wird, sie mit Erzeugnissen ihres Stoffwechsels versorgen, von denen sich Lithoredo abatanica ernährt.

Experten weisen auch darauf hin, dass die Felspartikel in ihren Eingeweiden dazu beitragen können, Krill zu zermahlen. Auf ähnliche Weise funktioniert auch der Muskelmagen von Vögeln.

Molluske im Stein
Quelle: La Vanguardia

Lithoredo abatanica, Baumeister des Flussökosystems

Die Gewohnheit von Lithoredo abatanica, Hohlräume in Steine zu graben, könnte auch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Flussökosystems spielen, da neue Lebensräume geschaffen werden.

Bei den Schiffsbohrwürmern wurde bereits nachgewiesen, dass das von diesen Kreaturen gegrabene Tunnellabyrinth Schutzräume für Fische und zahlreiche wirbellose Meerestiere bietet.

Die positiven Auswirkungen, die Lithoredo abatanica auf das von ihm bewohnte Ökosystem hat, gleichen denen anderer Terediniden. Diese Tatsache kann durch zwei Faktoren belegt werden:

  • Signifikante Besiedlung des Gesteins im Flussbett: Man fand mehrere wirbellose Tierarten, die in dem aufwendig gebauten Höhlennetzwerk wohnten.
  • Die starke Fragmentierung dieses Kalzitmaterials, das sich über das Ufer des Flusses Abatan ausgebreitet hat.

Die Anwesenheit von Lithoredo abatanica erhöht somit die Komplexität des Lebensraums für zahlreiche Arten. Darüber hinaus verändert sie wahrscheinlich auch den Lauf des Abatan.

Geheimnisse der Natur werden enthüllt

Es sind noch viele Rätsel zu lösen, wenn es um die Physiologie dieser neuen Gruppe von Terediniden geht. Zunächst einmal könnte die Erforschung ihrer ökologischen Gewohnheiten viel darüber verraten, wie andere Organismen in seiner Umgebung von den kleinen Höhlen abhängen, die dieser Wurm gräbt.

Da Felshöhlen über Millionen von Jahren erhalten bleiben, könnte ihre Bedeutung enorm sein. Die weitere Erforschung dieser modernen Baumeister könnte viele weitere Erkenntnisse über die Entwicklung des Flussökosystems liefern.

Wenn wir Kenntnisse darüber gewinnen, ob es ein Mikrobiom gibt, das von Lithoredo abatanica besiedelt wird und auf die Verdauung von Gestein spezialisiert ist, könnte dies enorme biotechnologische Verwendungsmöglichkeiten erschließen. Mit diesem Wissen könnten neue Produkte geschaffen werden, die die wirtschaftliche Entwicklung fördern.


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