Gestresste Wildtiere in Gefangenschaft

Die Auswirkungen der Gefangenschaft auf Tiere sind wissenschaftlich dokumentiert und stellen für viele Menschen ein großes moralisches Problem dar.
Gestresste Wildtiere in Gefangenschaft
Sara González Juárez

Geprüft und freigegeben von der Psychologin Sara González Juárez.

Geschrieben von Sara González Juárez

Letzte Aktualisierung: 15. März 2023

Den natürlichen Lebensraum so weit wie möglich nachahmen – das ist der wichtigste Ratschlag für diejenigen, die Wildtiere aus verschiedenen Gründen in Gefangenschaft halten. Der Stress in Gefangenschaft zeigt jedoch, dass dies leichter gesagt als getan ist, denn kein Tier lebt gerne eingesperrt.

Mehrere Studien haben sich die Aufgabe gestellt, dies zu belegen. Hier stellen wir dir die wichtigsten Ergebnisse vor, was die physiologischen Aspekte angeht. Das Wissen darüber ist nicht nur für diejenigen hilfreich, die Tiere in Gefangenschaft halten müssen, bevor man sie wieder auswildert. Es trägt auch dazu bei, das Bewusstsein für die Realität der Tiere zu schärfen, die derzeit ohne erkennbare Chance auf Freiheit hinter Gitterstäben leben.

Wie sich die Gefangenschaft auf Tiere auswirkt

Gestresste Wildtiere in Gefangenschaft

Der Mensch denkt normalerweise, dass es für jedes Lebewesen ausreicht, Wasser, Nahrung und einen Platz zum Schlafen zu haben, um glücklich zu leben. Die Pandemie, die im Jahr 2020 ausbrach, hat uns jedoch deutlich gezeigt: Gefangenschaft – selbst wenn alle unsere Bedürfnisse erfüllt sind und wir auf alle Unterhaltungsmedien zurückgreifen können – wirkt sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus.

Bei Tieren ist es genau dasselbe. Die Gefangenschaft wird als bedrohlich und langanhaltend empfunden. Dazu kommt, dass die daraus resultierenden physiologischen Auswirkungen nie abklingen. Die Physiologie dieses Zustands wird durch zwei Hauptstufen aktiviert:

  • Die adrenomedulläre Reaktion: Das Nebennierenmark schüttet sofort Epinephrin und Norepinephrin aus, wenn das Tier die Gefahr des Eingeschlossenseins wahrnimmt. Das stellt ein Alarmsignal für den Körper dar, um auf eine Situation, in der es um Leben und Tod geht, zu reagieren. Dies äußerst sich unter anderem durch eine erhöhte Herzfrequenz sowie einen erhöhten Muskeltonus und Blutdruck.
  • Glukokortikoid-Ausschüttung: Diese zweite Phase beginnt innerhalb weniger Minuten nach dem Auftreten des Stressors. Diese Steroidhormone haben einen erheblichen Einfluss auf die Regulierung des Stoffwechsels. Dadurch wird der Körper darauf vorbereitet, die gefährliche Situation über einen längeren Zeitraum zu bewältigen. Dadurch hält man ihn davon ab, in langfristige Prozesse wie das Immunsystem oder die Fortpflanzung zu investieren.

Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, sind diese beiden Prozesse darauf ausgelegt, eine momentane Situation zu lösen. Wenn die Wahrnehmung der Bedrohung jedoch nicht nachlässt, schüttet der Körper weiterhin Kortikosteroide aus, was die Gesundheit des Tieres beeinträchtigt. Dies wird als chronischer Stress bezeichnet, der in diesem Fall durch die Gefangenschaft ausgelöst wird.

Durch Gefangenschaft ausgelöster Stress und Glukokortikoide

Es sind diese Glukokortikoide, die den Körper auf eine ständige Bedrohung reagieren lassen. Sie “opfern” die normale Funktion einiger Systeme, um die permanente Wachsamkeit aufrechtzuerhalten. Die Ergebnisse von Studien zu diesem Thema sind aufschlussreich:

  • Bei der Analyse des Gewichts stellte man in 60 % der Studien fest, dass Tiere, die eingesperrt waren, das Gewicht, das sie durch den Stress verloren hatten, nie wieder erreichten.
  • Fast die Hälfte der Studien (42 %) zeigte, dass die gefangenen Tiere einen höheren Glukokortikoidspiegel aufwiesen als ihre frei lebenden Artgenossen.
  • Fünfundvierzig Prozent der untersuchten Arten behielten diese hohen Glukokortikoidwerte drei Monate nach dem Gefangenwerden bei.

Um dies zu verdeutlichen, hier ein paar Beispiele. Das erste stammt aus einer 2004 veröffentlichten Studie, in man feststellte, dass die langfristige Gefangenschaft bei afrikanischen Grünen Meerkatzen zu einer erhöhten Nebennierenmasse führt. Obendrein wurde bei Neunbinden-Gürteltieren festgestellt, dass sechs Monate Gefangenschaft zu ähnlichen Veränderungen der Nebennieren führen, wie sie nach dem Stress eines strengen Winters auftreten.

Wie wirkt sich chronischer Stress auf das Immunsystem aus?

Eines der Systeme, das am stärksten von Stress durch Gefangenschaft betroffen ist, ist das Immunsystem. Da es in einer Situation drohender Gefahr keine Notwendigkeit gibt, in das Immunsystem zu investieren, verteilt der Körper seine Ressourcen auf andere Organe und Prozesse. Auf lange Sicht leidet also das Immunsystem, was das Auftreten von Krankheiten begünstigt.

In dieser Hinsicht liefert die Zusammenfassung der Ergebnisse interessante Daten. Schauen wir uns die auffälligsten davon an:

  • 24 % der Studien zeigten eine erhöhte Immunreaktion, während weitere 24 % eine verringerte Immunreaktion (gemessen an der Leukozytenzahl) aufwiesen.
  • Die Reaktionen sind nicht eindeutig; sie scheinen artabhängig zu sein. Während einige Tiere ein hyperaktiviertes Immunsystem aufweisen, leiden andere unter Problemen, die aus seiner Hemmung resultieren.
  • Ein Beispiel für Letzteres sind Kröten in Gefangenschaft, bei denen man eine größere Anzahl von Bakterien auf der Haut und im Verdauungssystem fand.

Gefangenschaft und Fortpflanzung

Die Fortpflanzung ist eine Funktion, die auch mit dem Glukokortikoidspiegel zusammenhängt. Dieser hat nämlich die Fähigkeit, reproduktive Steroide zu hemmen (oder sogar zu unterdrücken). Daher wirkt sich eine geringere Testosteron- oder Östradiolproduktion auf das Fortpflanzungsverhalten der Tiere aus.

Bei jungen Exemplaren führt der Stress der Gefangenschaft überdies zu Problemen bei der Entwicklung der Keimdrüsen und der Reifung der Eier.

Bei der Betrachtung des Fortpflanzungssystems stellten die Autor:innen der Studie fest, dass 74 % der Artikel zeigen, dass wild gefangene Tiere eine gehemmte Fortpflanzungsfähigkeit haben. Das wird in zahlreichen Fällen beobachtet und ist vor allem bei den Arten problematisch, die in Gefangenschaft gezüchtet und dann wieder freigelassen werden sollen.

Ein weiterer interessanter Artikel für dich Bonobo-Mütter helfen ihren Söhnen bei der Fortpflanzung

Gestresste Wildtiere in Gefangenschaft

Viele Tiere werden für verschiedene menschliche Zwecke eingesperrt – unter anderem für Experimente, Tierfarmen und Unterhaltungszwecke. Wie viele Fälle könnte man verhindern? Wohin vermögen wir die Entwicklung unserer Art zu lenken, ohne anderen Tieren dabei zu schaden? Zum Glück gibt es bereits einige Menschen, die daran arbeiten. Es bleibt also nur noch, diese Leute zu unterstützen, damit immer weniger Tiere lebenslang in Gefangenschaft leben und unter Stress leiden müssen.


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  • Suleman, M. A., Wango, E., Sapolsky, R. M., Odongo, H., & Hau, J. (2004). Physiologic manifestations of stress from capture and restraint of free-ranging male African green monkeys (Cercopithecus aethiops). Journal of Zoo and Wildlife Medicine35(1), 20-24.
  • Rideout, B. A., Gause, G. E., Benirschke, K., & Lasley, B. L. (1985). Stress‐induced adrenal changes and their relation to reproductive failure in captive nine‐banded armadillos (Dasypus novemcinctus). Zoo biology4(2), 129-137.
  • Fischer, C. P., & Romero, L. M. (2019). Chronic captivity stress in wild animals is highly species-specific. Conservation physiology7(1), coz093.

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