Übermäßige Anhänglichkeit bei Katzen

Obwohl sie als unabhängige Tiere gelten, können Katzen unter bestimmten Umständen eine übermäßige Bindung an ihre Bezugsperson entwickeln. Erfahre mehr über diese Verhaltensstörung im folgenden Artikel!
Übermäßige Anhänglichkeit bei Katzen
Sebastian Ramirez Ocampo

Geschrieben und geprüft von dem Tierarzt und Zootechniker Sebastian Ramirez Ocampo.

Letzte Aktualisierung: 17. Oktober 2023

Seit ihrer Domestizierung vor etwa 10.000 Jahren hat sich die Beziehung zwischen Katzen und Menschen so weit entwickelt, dass sie in vielen Haushalten als wichtiger Teil der Familie angesehen werden. Obwohl sich solche Beziehungen für beide Arten als vorteilhaft erwiesen haben, können sie manchmal auch zu ungesunden Beziehungen werden. Das ist zum Beispiel bei Katzen der Fall.

Diese Art von Verhalten – gekennzeichnet durch eine zwanghafte Abhängigkeit des Tieres von seiner Bezugsperson – führt dazu, dass die Tiere ständig Aufmerksamkeit verlangen. Zudem können Katzen Angst, Unsicherheit und Unruhe empfinden, wenn sie allein sind.

Wenn du wissen willst, was die Ursachen dieser Störung sind, welche Verhaltensweisen sie kennzeichnen und welche Strategien es gibt, um mit ihr umzugehen, solltest du den folgenden Artikel lesen.

Katzen und soziale Interaktionen

Laut einer englischsprachigen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift PNAS begann die Domestizierung der Katzenart in den Gebieten des Nahen Ostens während der Jungsteinzeit. Zu dieser Zeit begannen wilde Katzen, von denen die Hauskatze abstammt, sich aufgrund der hohen Verfügbarkeit von Nagetieren als Beute landwirtschaftlichen Siedlungen zu nähern.

Da die Siedler:innen den Nutzen dieses Verhaltens erkannten, nahmen sie die Tiere bei sich zu Hause auf und bauten eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung auf.

Ein Artikel in der englischsprachigen Zeitschrift Nature Ecology & Evolution legt nahe, dass dieses Phänomen – anders als bei Hunden – die morphologischen, physiologischen und verhaltensmäßigen Merkmale von Katzen nicht wesentlich verändert hat.

Eine 2019 veröffentlichte Studie legt jedoch nahe, dass Katzen wie Menschen und Hunde Bindungen zu ihren Bezugspersonen entwickeln.

Die Studie, die in der Zeitschrift Current Biology in englischer Sprache veröffentlicht wurde, untersuchte das Verhalten von 70 Katzen im Alter zwischen 3 und 8 Monaten. Nachdem sie verschiedene Experimente durchgeführt hatten, kamen Forscher:innen zu dem Schluss, dass diese Tierart zwei Arten von Bindung zeigen kann:

  • Sichere Bindung: Sie entsteht, wenn die Bezugsperson die physiologischen und emotionalen Bedürfnisse der Katze von klein auf befriedigt. Es ist eine gesunde Bindung, in der das Tier Vertrauen und Sicherheit spürt. Deshalb interagiert es auch mit unbekannten Menschen oder Tieren. Überdies genießt die Katze die Gesellschaft seiner Bezugsperson und verspürt keine Angst, wenn diese abwesend ist.
  • Unsichere Bindung: Eine solche Bindung tritt auf, wenn Katzen in einer ungesunden Umgebung und unter ungesunden Bedingungen mit wenig oder gar keiner Sozialisierung aufgewachsen sind. Die Tiere sind misstrauisch im Umgang mit Fremden. Sie können sehr eigenbrötlerisch sein oder von ihren Bezugspersonen sehr viel verlangen, sodass sie abhängig sind und unter Trennungsangst leiden.
Übermäßige Anhänglichkeit bei Katzen
Wie Kinder gehen Katzen tiefe Bindungen mit ihren Bezugspersonen ein. Credit: iStockphoto.

Warum weicht die Katze nicht von meiner Seite?

Wie eine Veröffentlichung im Journal of Veterinary Behaviour (englischsprachig) zeigt, ist Anhänglichkeit ein natürliches Verhalten, das für das Überleben aller Säugetierarten notwendig ist.

Sie dient dazu, die Nähe und den Kontakt zu einem anderen Tier – in der Regel der Mutter – während der frühen Lebensphasen aufrechtzuerhalten. Das Ziel ist es, Schutz und Körperwärme zu erhalten. Wenn sich dieses Verhalten jedoch bis ins Erwachsenenalter fortsetzt und von emotionalem Abhängigkeitsverhalten begleitet wird, gilt die Anhänglichkeit als pathologisch.

Katzen, die eine unsichere Bindung zu Menschen entwickeln, leiden eher unter einer übermäßigen Anhänglichkeit.

Das heißt, wenn deine Katze nicht einen einzigen Moment von dir getrennt sein möchte, handelt es sich möglicherweise nicht nur um Liebe und Zuneigung, sondern dann leidet das Tier unter einer Verhaltensstörung.

Zu den Risikofaktoren oder Ursachen für dieses Verhalten einer Katze gehören unter anderem folgende:

  • Misshandlung in den ersten Lebensjahren
  • Schlechte Sozialisierung mit Tieren oder Menschen im frühen Alter
  • Übermäßiger Schutz durch die Betreuungsperson
  • Isolation und mangelnde sensorische Anreize
  • Mangelnde Aufmerksamkeit der Bezugspersonen schon gegenüber dem Kätzchen

Die Symptome einer übermäßigen Anhänglichkeit bei Katzen

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Katzen, die ihren Bezugspersonen nahe stehen, an einem Verhaltensproblem leiden. Wenn man von einer Katze mit Hyper-Attachment spricht, werden bestimmte Anzeichen oder Symptome beobachtet, die vor allem mit Trennungsangst zusammenhängen.

In diesem Zusammenhang und wie in einem Artikel in der Zeitschrift PLoS One sollten die folgenden Symptome in Betracht gezogen werden:

  • Die Zerstörung von Gegenständen im Haus
  • Übermäßige Lautäußerungen (Miauen)
  • Urinieren und Defäkieren an unpassenden Orten
  • Depression und Apathie, wenn die Bezugsperson das Haus verlässt und das Tier allein ist
  • Übermäßige Unruhe und Ängstlichkeit in denselben Situationen
  • Zwanghaftes Belecken, das zu Haarausfall führt (psychogene Dermatitis bei Katzen)
  • Ständiges Verlangen nach Aufmerksamkeit

Was ist zu tun, wenn meine Katze übermäßig anhänglich ist?

Da einige der Symptome abhängiger Katzen auch bei anderen Krankheiten, wie z. B. FLUTD, auftreten, sollte die erste Maßnahme sein, dein Tier zum Tierarzt oder zur Tierärztin zu bringen, um jede Art von physiologischer Krankheit auszuschließen.

Wenn keine Pathologie diagnostiziert wird, sollte der nächste Schritt darin bestehen, Etholog:innen oder Fachleute für Katzenverhalten zu konsultieren. Sie werden zunächst dafür zuständig sein, das Verhalten des Tieres zu korrigieren.

Gleichzeitig sollte laut einer Veröffentlichung im Journal of the American Veterinary Medical Association können Tierhalter/innen bestimmte Strategien zur Behandlung von Verhaltensstörungen anwenden. Dazu gehören die folgenden:

  • Training: Durch die Förderung und Belohnung positiver Verhaltensweisen kann die Beziehung zwischen einer Katze und der Bezugsperson gestärkt werden. Ebenso verhindert die Aufmerksamkeit und die sensorische Stimulation während des Trainings, dass die Katze in verschiedenen Situationen ängstliche Verhaltensweisen entwickelt.
  • Misshandle die Katze nicht körperlich oder verbal: Das Ignorieren unerwünschter Verhaltensweisen der Katze kann das Fehlverhalten verschlimmern. Genauso wichtig ist es, Schimpfen und körperliche Bestrafung zu vermeiden, wenn das Tier sehr abhängig oder anhänglich ist. Dies könnte zu noch mehr Stress führen.
  • Verändere und bereichere die Umgebung: Spiele, Kratzbäume, Plattformen, Tunnel und andere verfügbare Objekte regen die Sinne an und unterhalten die Katze in den Momenten, in denen sie allein gelassen werden muss. Außerdem fördern und stärken sie ihre natürlichen Instinkte, sodass ihr Bedarf an Aufmerksamkeit und kognitiver Entwicklung gedeckt wird.
  • Verwende beruhigende Substanzen: Produkte wie z. B. synthetische Pheromone können im Behandlungsplan einer Katze mit übermäßiger Anhänglichkeit nützlich sein. Aufgrund ihrer angstlösenden Funktion können sie den Stress des Tieres zu bestimmten Zeiten reduzieren. Sie ersetzen jedoch nicht die soziale Interaktion zwischen einer Katze und ihrer Bezugsperson.
Übermäßige Anhänglichkeit bei Katzen
Umgebungsanpassung und eine mit Stimuli angereicherte Umgebung sind praktische Strategien für die Behandlung von Verhaltensstörungen. Credit: Arina Krasnikova/Pexels.

Wie man übermäßige Anhänglichkeit bei Katzen verhindert

Wenn du die Möglichkeit hast, eine Katze im frühen Alter zu adoptieren, sind Faktoren wie Erziehung, Training und frühe Sozialisierung der Schlüssel, um diese Art von Verhalten zu vermeiden.

Wie in dem oben zitierten Artikel erwähnt, kann die Katze durch den positiven Kontakt mit sozialen und umweltbezogenen Reizen in den ersten 3 bis 9 Lebenswochen Sicherheit und Selbstvertrauen entwickeln. Überdies ist es wahrscheinlicher, dass sie eine sichere Bindung zu ihrer Bezugsperson aufbaut.

In der Zeitschrift Applied Animal Behaviour Science heißt es außerdem, dass sozialisierte junge Katzen unbekannte Objekte und Menschen eher akzeptieren.

Die professionelle Pflege von Katzen mit übermäßiger Anhänglichkeit

Es ist wichtig zu wissen, dass traumatische Erfahrungen das Verhalten einer erwachsenen Katze prägen können. Aus diesem Grund neigt sie eher dazu, eine übermäßige Anhänglichkeit zu zeigen. Glücklicherweise können diese Verhaltensweisen mit der Hilfe einer Fachkraft behandelt und gelöst werden.


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Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.