Haben Tiere eine Zeitwahrnehmung?
Geschrieben und geprüft von der Biochemikerin Luz Eduviges Thomas-Romero
Die Zeitwahrnehmung ist nach Ansicht der Wissenschaftler nur ein weiterer Aspekt der Evolution und des Überlebens. Laut Studien scheint sich die Welt für eine Fliege etwa sieben Mal langsamer zu bewegen als für den Menschen.
Kleine Tiere mit schnellen Stoffwechselraten, wie zum Beispiel Kolibris, nehmen mehr Informationen in einer Zeiteinheit wahr. Das bedeutet, dass sie die Aktion langsamer erleben als großwüchsige Tiere mit langsamerem Stoffwechsel, den Menschen eingeschlossen.
Wie misst man die Zeitwahrnehmung?
Man muss sich vor Augen halten, dass alle Fernseh-, Computerbildschirme und Kinoleinwände blinken. Für das menschliche Auge vermittelt blinkendes Licht die Illusion konstanter Bilder, was auf die hohen Frequenzen zurückzuführen ist, mit denen diese Bildschirme arbeiten.
Daher wurde die relative Zeitwahrnehmung für jede Art spezifisch gemessen. Dies wird als “kritische Flimmerverschmelzungsfrequenz” bezeichnet.
Diese Verschmelzungsfrequenz ist der Punkt, an dem die Lichtreflexe in den Augen des Betrachters zu verschmelzen scheinen. Auf diese Weise vermittelt eine in Wahrheit intermittierende Lichtquelle die Illusion, konstant zu sein.
Die Zeitwahrnehmung beim Menschen
Wenn wir an eine Tür klopfen, nehmen wir Menschen eine Reihe von gleichzeitigen Ereignissen wahr, die Schall, Sehen und Tasten miteinander verbinden. In Wirklichkeit gelangt die Information in ihren verschiedenen Formen von derselben Quelle auf unterschiedlichen Wegen ins Gehirn.
Tatsächlich kommen die Informationen in den Verarbeitungszentren zu unterschiedlichen Zeiten an. Daher kann man davon ausgehen, dass das Gehirn die sensomotorische Kontrolle und die Informationsverarbeitung miteinander koppeln muss, damit wir das “Jetzt” wahrnehmen können.
Aufgrund dieser Tatsachen glauben Experten, dass die Interpretation verschiedener Sinnesmodalitäten, die scheinbar gleichzeitig auftreten, die Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn erfordert. Dieser Prozess ermöglicht uns die Darstellung der menschlichen Zeit.
Bei anderen Tieren wird die Zeitwahrnehmung durch die Verarbeitung der Informationen von Position und Geschwindigkeit durch das sensorische System beeinflusst.
Die Größe spielt eine Rolle
Die Fliegen können das Blinken eines Lichts bis zu viermal schneller wahrnehmen als der Mensch. Dies erklärt, wie Fliegen vermeiden können, zerquetscht zu werden.
Die Fliegen nehmen unsere “Zeit” wie in Zeitlupe wahr, was ihnen genügend Zeit zur Flucht gibt. Natürlich vergeht die Zeit in Wirklichkeit mit der gleichen Geschwindigkeit.
Die Augen der Fliege senden viel öfter Aktualisierungen an ihr Gehirn als die Augen eines Menschen. Außerdem sind ihre mentalen Prozesse sehr viel schneller als unsere.
Die Forschung belegt auch, dass ein Tier den Lauf der Zeit umso langsamer wahrnimmt, je kleiner es ist und je schneller seine Stoffwechselrate ist.
Es wurden mehr als 30 verschiedene Tierarten untersucht, darunter Nagetiere, Aale, Eidechsen, Hühner, Tauben, Hunde, Katzen und Lederschildkröten.
Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei einer Vielzahl von Arten die Zeitwahrnehmung in direktem Zusammenhang mit der Größe steht.
Diese Studien unterstreichen die Bedeutung der Zeitwahrnehmung bei Tieren. In der Natur kann die Fähigkeit, Zeit auf sehr kleinen Skalen wahrzunehmen, den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Die Vorteile eines geheimen Kommunikationsweges
Die Ökologie bedeutet für einen Organismus, eine Nische zu finden, in der er Erfolg haben kann und die sonst niemand nutzen kann.
Es ist eine Tatsache, dass das Gehör vieler Tiere in der Lage ist, Töne in Spektren zu hören, die das menschliche Ohr nicht wahrnimmt. In ähnlicher Weise ist es möglich, dass einige Tiere ihre unterschiedliche Zeitwahrnehmung zu ihrem Vorteil ausnutzen.
Zum Beispiel verwenden viele Arten wie Glühwürmchen und Tiefseetiere blinkende Lichter als Signale. Es ist möglich, dass größere und langsamere Raubtierarten nicht in der Lage sind, diese Signale zu erkennen.
Wenn das visuelle System des Raubtiers nicht schnell genug ist, kann diese optische Kommunikation den Signalgebern einen geheimen Kommunikationsweg bieten.
Abschließende Bemerkung
Wir müssen noch viel über die Zeitwahrnehmung bei Tieren lernen. Diese Studien weisen darauf hin, dass die Zeitwahrnehmung eine wenig erforschte Dimension ist, auf die sich die Tiere spezialisieren können.
Daher muss noch intensiver geforscht werden, um zu verstehen, wie Tiere ihre “Fähigkeit der Zeitlupe” nutzen. Es ist möglich, dass es Aspekte im Leben der Tiere gibt, die für unsere Augen unsichtbar sind.
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